So viel kann ein Stapel Papier bewirken: Im Gespräch mit Vertreter*innen von Jugendverbänden sagten die Grünen-Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg und Peter Meiwald zu, das Thema Klimaflucht auf die politische Tagesordnung zu bringen. Vergangenen Freitag überreichten Christoph Röttgers (NAJU),Mandy Merker und Jessica Fritz (JRK), sowie Niko Hübner (BUNDjugend) die gesammelten Unterschriften für die gemeinsame Petition zum Schutz von Klimamigranten.
Konkrete Unterstützung von Klimaflüchtlingen gefordert
3.451 Personen unterzeichneten zwischen Mai und August die Petition, die den Bundestag zum Handeln bewegen soll. Sie enthält drei Forderungen: Die Politiker*innen sollen dafür sorgen, Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen, Aufnahmeperspektiven zu bieten, die Klimaanpassung in den betroffenen Ländern auszubauen sowie den Klimaschutz in Deutschland ernsthaft voranzutreiben. Mittlerweile ist die Unterstützung von Klimaflüchtlingen auch offizielle Position des Deutschen Bundesjugendrings, der Vertretung der deutschen Jugendverbände. „Wir wollen, dass hier wirklich etwas passiert“, sagt Mandy Merker, stellvertretende JRK-Bundesleiterin: „Schwammige Formulierungen und Absichtserklärungen reichen uns nicht.“
Luise Amtsberg ist flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen. Sie kennt die Problematik, dass der dauerhafte Verlust des Lebensraums oder sich verändernde Umweltbedingungen nicht als Fluchtgrund anerkannt werden – gibt aber auch zu, dass der Schutz von Klimamigranten derzeit keine politische Priorität genießt. Peter Meiwald, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, pflichtet ihr bei: „Im Moment überlagern andere Aspekte das Thema. Wer über Flüchtlinge spricht, denkt zuerst an die dramatische Situation in Syrien und im Irak und wie Deutschland hier helfen kann.“
Zusammenhang von Klimawandel und steigenden Flüchtlingszahlen
Eine paradoxe Situation, meint Christoph Röttgers, Bundesjugendsprecher der NAJU: „Bei der Klimaflucht kommen zwei große Themen zusammen: die ohnehin steigende Flüchtlingswelle und das Ringen um mehr Klimaschutz. Diese Verbindung ist offenbar noch nicht in den Köpfen der Menschen.“
Ein Anliegen für den Bundestag
Das soll sich nun ändern. Wer sich an den Petitionsausschuss wendet, erreicht zunächst, dass zwei Mitglieder des Ausschusses – eines aus der regierenden Koalition und eines aus der Opposition – das Anliegen prüfen und gegenüber dem Petitionsausschuss eine Beschlussempfehlung abgeben. Dieser erarbeitet dann eine endgültige Empfehlung für den Deutschen Bundestag.
Wie diese im Fall der Klimaflüchtlinge aussieht, ist noch nicht klar. Bei rund 70 eingehenden Petitionen je Arbeitstag dauert es meistens Monate, bis sich der Ausschuss mit dem Anliegen beschäftigt. Aber Luise Amtsberg und Peter Meiwald, die selbst Mitglied des Petitionsausschusses sind, wollen eine zusätzliche Berichterstattung beantragen. Das ist möglich, wenn sich die beiden Berichterstatter aus Koalition und Opposition nicht einig sind. So könnte die Flüchtlingsexpertin Luise Amtsberg selbst beeinflussen, wie es mit der Petition weitergeht. Den Flüchtlingen Aufnahmeperspektiven in Deutschland zu bieten, hält sie für besonders wichtig: „Wir dürfen sie in ihrer Situation nicht allein lassen. Ich denke, ein Aufenthaltsrecht hat eine realistische Chance auf eine Mehrheit über Parteigrenzen hinweg.“
Was die Abgeordneten tun wollen
Das Thema Klimaflucht sei eine Steilvorlage für die Große Koalition, meint Peter Meiwald: „Die Regierung betont doch immer, die Ursachen von Armut und Flucht bekämpfen zu wollen. Mit mehr Klimaschutz und Hilfen zur Klimaanpassung könnte sie ihren Worten endlich Taten folgen lassen.“
Die beiden Grünen-Politiker wollen nun, dank des Engagements der drei Jugendverbände, für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Sie haben vor, eine sogenannte Kleine Anfrage zu stellen. Dann muss sich die Bundesregierung äußern, wie konkret sie sich „für die Entwicklung internationaler Instrumente bei dem zunehmend wichtigen Thema der Klimaflüchtlinge engagieren“ will. Das hat sie nämlich so im Koalitionsvertrag verankert. „Diese Debatte müssen wir auf jeden Fall führen“, sagt Luise Amtsberg: „Denn irgendwann ist das keine Frage des Wollens mehr.“
Text: Christina Kohl
Jahrhundertelang ging alles gut: Afrikanische und arabische Stämme lebten in Darfur zusammen, sie teilten Boden, Wasser und Nahrung. Doch seit etwa zwanzig Jahren, sagt Mahadi Ahmed, gibt es in der westsudanesischen Region keinen Frieden mehr. Mittlerweile bekämpfen sich die Stämme militärisch, Menschen fliehen, verlassen das Land. Das hat politische und ethnische Gründe. Aber der Darfur-Konflikt hat auch eine ökologische Dimension. Es mangelt an lebenswichtigen Grundlagen: Die Böden vertrocknen, das Wasser wird knapp, Ernten fallen aus. Das hat Mahadi Ahmed selbst erlebt.
Auf dem Jugendforum „Vom Klimawandel vertrieben“ berichtete der 30-Jährige von den Lebensbedingungen in Darfur, von seiner fünfjährigen Odyssee durch Afrika und quer durch Europa, von seinen Schwierigkeiten als Flüchtling anerkannt zu werden. Auf der Veranstaltung ging es um die Auswirkungen des Klimawandels für die Ärmsten der Armen. Für diejenigen, die am wenigsten zu den Veränderungen beigetragen haben unter denen sie leiden. Knapp 30 Mitglieder vom Jugendrotkreuz, der Naturschutzjugend, der Grünen Jugend und vom Jugendklimarat Bremerhaven kamen zu dem Forum am 22. Juni nach Berlin.
Klimawandel, politische Konflikte und Migration
Wie eng Klimawandel und Migration zusammenhängen, wurde in Mahadi Ahmeds Bericht klar. Aber der junge Sudanese erklärte auch, dass seine Landsleute diesen Zusammenhang nicht so deutlich wahrnehmen. Im Gegenteil: Den Darfur-Konflikt beschreiben sie als rein politisch und ethnisch motiviert. „Die Menschen dort sind nicht so informiert wie hier“, sagt Mahadi: „Die meisten haben vom Klimawandel noch nie etwas gehört.“ Sie fliehen nicht nur aus der Region, weil der Regen wegbleibt, sondern weil Kämpfe um Trinkwasser ausbrechen. Nicht nur, weil der Boden erodiert und sich immer mehr Wüsten bilden, sondern weil Menschen fremdes Land gewaltsam beanspruchen.
Hilfe aus mehreren Richtungen
Wie können wir helfen? Die Teilnehmer des Jugendforums wollen nicht nur zuhören sondern handeln. Sie planten, den Menschen in vom Klimawandel bedrohten Gebieten Hilfe zur Selbsthilfe zu geben: zum Beispiel, indem Multiplikatoren für Katastrophenschutz geschult werden. Außerdem wollen sie die Vertriebenen in Deutschland unterstützen: mit Migrationsberatung, Patenschaften und Einladungen zu JRK-Ortsvereinen. Und sie appellieren an Politiker, positive Aufklärungsarbeit zu leisten: Die Bevölkerung solle Flüchtlinge als weniger bedrohlich wahrnehmen. „Dazu müssen Politiker aber überhaupt anerkennen, dass der Klimawandel zu mehr Migration führen wird“, gibt Jan Kowalzig, Referent für Klimawandel und Klimapolitik in der Entwicklungsorganisation Oxfam, zu bedenken
Lösungsansätze aus der Politik
Zumindest vier Politiker teilen diese Einsicht bereits. Laura Stoll, Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Union, Jan Krüger, stellvertretender Juso-Vorsitzender, Felix Banaszak, Bundessprecher der Grünen Jugend, und Karsten Stöber, Bundessprecher der Linksjugend Solid, stellten sich den Fragen und Forderungen der Jugendlichen. Zum Beispiel: „Was tun eure Parteien hier und jetzt für Klimaflüchtlinge?“ Zu wenig, waren sich die vier Jungpolitiker einig. „Man sollte darüber nachdenken, den Flüchtlingsbegriff zu erweitern“, schlägt Laura Stoll vor. Denn bislang ist der Klimawandel kein anerkannter Fluchtgrund – deshalb erhalten die Vertriebenen auch kein Asyl. Karsten Stöber von der Linksjugend geht noch weiter: „Wir müssen das Asylrecht insgesamt reformieren und humanisieren.“ Der Grüne Felix Banaszak setzt sich dafür ein, sowohl Flüchtlinge aufzunehmen als auch die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern zu ändern. Vom Klimawandel Vertriebene sind sogar Thema in dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung: SPD und Union verpflichten sich darin, sich „für die Entwicklung internationaler Instrumente bei dem zunehmend wichtigen Thema der Klimaflüchtlinge zu engagieren“. Jan Krüger von den Jusos ist sicher, dass „wir in den nächsten eineinhalb Jahren sehr konkrete Verbesserungen erreichen“.
Letztlich, so plädierten die Teilnehmer des Jugendforums, dürfe es keine Rolle spielen, aus welchem Grund jemand flieht – jedem Menschen in Not gebührt Hilfe. Mahadi Ahmed zum Beispiel bezeichnet sich als politischen Flüchtling. Aber er ist sicher, dass Veränderungen der Umwelt in viele politische Konflikte hineinspielen. Über seinen Asylantrag in Deutschland ist noch nicht entschieden.
Von Christina Kohl